Mitgliederanlass der SP Kanton Solothurn vom 27.10.2021
Wir haben gestern ein neues Format ausprobiert. Anstelle einer Delegiertenversammlung haben wir einen Mitgliederanlass zum Thema Finanzen durchgeführt. Nächstes Jahr kommen wichtige Finanzabstimmungen auf uns zu. Einerseits auf nationaler Ebene das Thema "Stempelsteuer" und auf kantonaler Ebene die Initiative "jetz si mir draa" und der Gegenvorschlag dazu der Regierung. Die SP unterstützt den Gegenvorschlag, da er unseren Auftrag von 2019 zur "substanziellen Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen" umsetzt. Die Initiative ist unsozial, gefährlich und würde ein riesiges Loch in unsere Kantons- und Gemeindefinanzen reissen.
Hier meine Eröffnungsrede:
Liebe Genossinnen und Genossen
Unsere politischen GegnerInnen werfen uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ja immer wieder vor, nicht mit Geld umgehen zu können, ja, es geradewegs zu verschleudern. Und dann handle es sich dabei ja erst noch um das Geld anderer Menschen, nämlich der SteuerzahlerInnen. Und sie stellen es so dar, als ginge es in Wirklichkeit den Reichen schlecht, nicht denjenigen die weniger oder nichts haben. Den Reichen geht es schlecht, weil sie so viele Steuern bezahlen müssen! Deshalb kommen sie immer wieder mit Forderungen nach Steuersenkungen und sie kommen mit einer gefährlichen Initiative wie "jetz si mir draa"! Sie wollen damit nicht nur den Mittelstand und die Geringverdienenden entlasten, sondern eben auch die ganze Reichen. Und sie nehmen es damit in Kauf, dass an Orten gespart wird, wo es diejenigen schmerzt, welche die Unterstützung von den Gemeinden und des Kantons am nötigsten haben. Wo wäre denn am meisten Geld zu sparen? Bei der Sozialhilfe? Den Ergänzungsleistungen? Bei der Entlastung für die Krankenkassenprämien? Bei der Bildung? Man muss nicht lange überlegen: Egal wo gespart wird, es trifft immer Menschen, die in besonderem Mass auf Unterstützung angewiesen sind. Ich weiss, das habt Ihr alle schon 100-mal gehört. Aber trotzdem ist es wichtig, es immer und immer wieder zu betonen. Die SP setzt sich seit Jahren und Jahrzehnten dafür ein, dass dies nicht passiert. Unser Auftrag zur "substanziellen Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen", den wir 2019 im Kantonsrat eingereicht hatten wurde damals angenommen und kann mit dem Gegenvorschlag der Regierung zur unsozialen "jetz si mir draa"-Initiative umgesetzt werden. Mehr zu diesem Thema wird uns Simon Bürki etwas später erzählen.
Ich möchte noch auf etwas anderes eingehen: Wir sprechen heute Abend vor allem über Finanzen. Und wir diskutieren momentan darüber, ob die Pflegeinitiative im November angenommen werden soll. Auch bei dieser Initiative geht es ja, wie so oft, um viel Geld. Es geht darum, wieviel Geld wir mit unserem Gesundheitswesen ausgeben wollen. Das Schweizer Gesundheitswesen ist ein 80-Milliarden-Franken-Markt. Jedes Jahr werden etwas mehr als 80 Milliarden Franken umgesetzt. Ca. 335'000 Personen arbeiten im Schweizer Gesundheitswesen. Ein kleiner Teil dieser Menschen hat die Möglichkeit, sich zu bereichern, weil unser Gesundheitswesen voller Fehlanreize ist. Anstatt man nun diesen Personen den Riegel schiebt, will man der Bevölkerung ernsthaft erzählen, die Pflegeinitiative sei zu teuer. Es sei zu teuer, die Pflegenden anständig zu bezahlen. Ich weiss, die Löhne in der Pflege, vor allem beim diplomierten Personal und beim Personal in den Spezialdisziplinen wie Intensivpflege sind nicht so schlecht. Aber man muss dabei berücksichtigen, dass kaum jemand in der Pflege 100% arbeitet. Weil es einfach zu streng ist. Einerseits ist es der Stress während der Arbeit, aber auch die Schichtarbeit, die einem körperlich und auch psychisch sehr vieles abverlangt. Und wenn man dann nur 80% arbeiten kann, weil man es sonst nicht aushält, ist der Lohn plötzlich nicht mehr so hoch. Und man muss berücksichtigen, dass nicht nur Diplompflegende im Gesundheitswesen arbeiten, sondern auch FaGes und Pflegehilfen. Die haben einen um einiges tieferen Lohn.
Die Pflege ist die grösste Berufsgruppe im Gesundheitswesen. Deshalb kann man dort vermeintlich am effizientesten sparen. Ausser Acht gelassen wird dabei, dass dieses Sparen einen direkten Einfluss hat auf das Überleben der Patientinnen und Patienten. Es gibt Studien die belegen, dass die Sterblichkeit rasch ansteigt, wenn zu wenig diplomiertes Personal auf der Schicht arbeitet. Und da wird die Diskussion um die Kosten plötzlichen zu einer ethischen Diskussion. Wollen wir in der reichen Schweiz, dass PatientInnen sterben, weil wir uns keine ausreichende Betreuung leisten wollen? Wollen wir weiterhin in Kauf nehmen, dass Pflegende ausbrennen und viel zu früh aus dem Beruf aussteigen, weil es einfach nicht mehr geht?
NEIN, das wollen wir ganz klar nicht! Und da zeigt sich dann ganz klar, dass der Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative ungenügend ist. Er will wohl die Ausbildung fördern, aber die Arbeitsbedingungen nicht verbessern, was weiterhin dazu führen wird, dass die Pflegenden rasch wieder aus dem Beruf aussteigen. Ich habe kürzlich ein Zitat einer Pflegenden gelesen: "Dem Gegenvorschlag zuzustimmen ist, wie wenn ich einer Patientin ein Medikament gebe, welches vielleicht etwas rascher, dafür ungenügend wirkt".
Wir müssen der Pflege das richtige Medikament für die Krankheit "Pflegenotstand" verabreichen. Und dieses Medikament heisst "Pflegeinitiative". Oder mit einem anderen Bild gesprochen: Wenn ich ein Fass mit einem Loch habe, giesse ich auch nicht nur immer mehr Wasser hinein, um das Fass trotzdem voll zu kriegen, sondern ich flicke das Loch und giesse gleichzeitig Wasser nach. Das macht auch finanziell mehr Sinn.
Jetzt sprechen wir ja aber heute eigentlich über unsere Finanzen und nicht über die nationalen Vorlagen. In diesem Fall gibt es aber einen sehr direkten Zusammenhang.
Die Kantone bezahlen einen Teil der Kosten im Gesundheitswesen. Sie bezahlen bei den stationären Behandlungen mindestens 55% der Kosten. Und zukünftig werden die Kantone wohl auch einen Teil an die ambulanten Kosten bezahlen. Die Kosten für die Gesundheit und das Gesundheitswesen werden weiterhin steigen. Wenn wir nun in den Kantonen oder auch national Steuergeschenke für die Reichen und die Unternehmen beschliessen, braucht es danach ein Sparprogramm. Wenn wir nun wissen, dass die Gesundheitskosten mehr oder weniger ungebremst weitersteigen werden, ist dies auch ein Faktor, der dazu führt, dass in anderen Bereichen mehr gespart werden muss. Ganz direkt würden wir es beispielsweise bei den Prämienverbilligungen merken. Die Prämien steigen weiterhin, die Verbilligungen würden gesenkt, zurück bleibt ein finanzielles Loch bei den Betroffenen.
Ich habe es eingangs erwähnt. Es wird uns vorgeworfen, dass wir nicht mit Geld umgehen können, ja, dass wir keine Ahnung von den Zusammenhängen hätten. Ausser Acht wird dabei gelassen, dass es immer verschiedene Sichtweise auf ein Thema gibt. Und es ist eben zentral, ob man etwas durch eine soziale Brille oder durch eine eher egoistische Brille betrachtet. Wir wollen Euch heute Abend Fakten und Argumente für die kommenden Diskussionen liefern. Es wird wichtig sein, die Menschen zu überzeugen, dass die Initiative "jetz si mir draa" oder auch die Abschaffung der Stempelsteuer gefährlich ist und nur einen kleinen Teil unserer Bevölkerung bevorzugen will.
Ich freue mich nun auf die Referate unserer Redner. Der Mitgliederanlass ist eröffnet.